Manchmal fühle ich mich von einem Wort der Hl. Schrift irgendwie ertappt. Ich höre Gott durch den Propheten Ezechiel sagen, dass der Schuldige, der sich bekehrt und gerecht handelt, am Leben bleiben soll. Das finde ich erst mal gut.
Dann fällt mir ein, dass er den entstandenen Schaden schon noch wieder in Ordnung bringen muss. Aber was, wenn er das nicht kann? Oder wenn er wirklich etwas sehr Schlimmes getan – vielleicht sogar mir getan hat – soll er dann wirklich einfach so wegkommen?
Wenn die Schuld nur groß genug oder ich betroffen genug bin, dann ist die Barmherzigkeit Gottes nicht mehr nur etwas Schönes und Großzügiges, sondern ein Skandal.
„Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen – Spruch Gottes, des Herrn – und nicht vielmehr daran, dass er umkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?“ Will ich das eigentlich wirklich mit Gott, dass der Schuldige am Leben bleibt? Und damit ist ja nicht nur das biologische Am-Leben-Bleiben gemeint, sondern, dass eine Bekehrung und ein versöhntes Leben möglich werden.
Ähnlich geht es mir mit dem harten Wort über den, der gerecht war und dann böse wird und sterben muss. Zuerst finde ich das etwas hart. Dann merke ich, wie groß das Geschenk des Gerecht-sein-Dürfens war, das er empfangen hat, und dass er sich ja nicht nur um das Geschenk des Gerecht-sein-Dürfens, sondern damit auch um sein wahres Leben gebracht hat.
Und während ich darüber nachdenke, merke ich, dass das ja gar nicht von den Anderen handelt, sondern von meinem unbekehrten Herzen, dem Gott einen Neuanfang schenken und die Kostbarkeit der schon geschenkten Gerechtigkeit vor Augen halten will.
Fra' Georg Lengerke
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