Herbst 2017. Wanderung mit zwei Freunden von Bethlehem zum Kloster Mar Saba. Eines der ältesten bewohnten Klöster der Welt direkt am Kidrontal, das von Jerusalem bis zum Toten Meer verläuft.
Hier sieht der Prophet Ezechiel in seiner Vision das Wasser aus dem Jerusalemer Tempel fließen. Erst nur ein Rinnsal, wird der Bach zum Toten Meer hin immer mehr zum Strom. Und „wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen […] leben können.“
Doch die Lage des Klosters ist heute alles andere als idyllisch. Am Fuß des Klosters finden wir eine stinkende und zugemüllte Kloake, aus der je nach Wetterlage der Gestank bis in die Zellen der Mönche von Mar Saba dringt. Ist das nicht auch eine beklemmend-mahnende Prophetie? Dass aus Gottes Heiligtum eine Kloake fließt?
Die frühe Kirche hatte bei der Vision des Ezechiel ein Déjà-vu. So wie aus der Seite des Tempels das Wasser fließt, dass der Schöpfung neues Leben gibt, so fließen aus der Seite Jesu Christi am Kreuz Blut und Wasser, die der Menschheit neues Leben geben (Joh 19,34). Zu der Samariterin am Jakobsbrunnen spricht Jesus von dem „lebendigen Wasser“, das er gibt (Joh 4,10.14). Wer davon trinkt, sagt Jesus, wird selbst zu einer Quelle für andere. Je mehr davon trinken, umso mehr wird die lebensspendenden Güte Gottes ein Strom in die Welt.
In diesen Tagen sehnen sich viele in der Isolation nach Menschen, die ihnen zur Quelle werden. Es liegt auch an denen, die von dem lebendigen Wasser Jesu trinken, ob Gott in unseren Tagen die Vision des Ezechiel wahr macht – und seine lebensspendende Güte zu einem mächtigen Strom in die Not der Welt wird.
Fra' Georg Lengerke
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