Die Geschichte der Auferweckung des Lazarus beginnt mit einem Zögern Jesu. So als wäre alles nicht so schlimm. Dieser Tage schrieb jemand, für den, der an die Auferstehung glaube, sei es „auch nicht schrecklich, wenn 100.000, 200.000 oder noch viel mehr Menschen sterben…“
Solcher Zynismus ist dem Evangelium fremd. Jesus weint um seinen Freund und um jeden, von dem es heute heißt: „Herr, Dein Freund ist krank.“ Der Tod des Lazarus ist so wenig harmlos wie der Weg Jesu zu ihm. Denn es ist zugleich der Weg in unseren Tod.
Am Grab des Freundes offenbart sich Jesus als der, der aus der Herrschaft des Todes befreit. Aber dafür zahlt er den höchsten Preis. Weil Jesus meinen und eines jeden Menschen Tod erlitten hat und auferweckt wurde, hat unser leiblicher Tod bei allem Schrecken keine letzte Macht mehr.
Die Herrschaft des Todes beginnt nicht erst im Tod. Sie beginnt, wo die Angst vor dem Tod und seine Vorboten (Schwachheit, Krankheit, Hinfälligkeit) unser ganzes Leben bestimmen. Wo wir alles tun, um gesund oder am Leben zu bleiben, werden wir nichts mehr tun, wofür sich zu leben und zu sterben lohnt. Wo es aber nichts mehr gibt, wofür sich zu leben und zu sterben lohnt, da sind wir lebendig tot.
„Komm heraus!“ ruft Jesus dem Lazarus und uns lebendig Toten zu. Das ist kein Schlachtruf gegen die derzeitigen Einschränkungen. Andere zu gefährden ist nicht erlaubt. Uns aber ruft die Stimme aus dem Grab der herrschenden Angst um unsere Gesundheit und vor dem Tod. „Komm heraus!“, ruft die Liebe, für die sich zu leben und zu sterben lohnt. Es ist Zeit, sich zu entscheiden. Höchste Zeit.
Fra' Georg Lengerke
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