Vorgestern Abend kam die Polizei. Wir haben die Heilige Messe vom Gründonnerstag mit Fußwaschung gerade gefeiert und sind in der Anbetung der beginnenden Ölbergnacht. Der Livestream läuft noch. Wir sind zu fünft. Es klingelt. Agnes macht auf. Zwei Beamte stehen in der Tür. Offenbar hatten uns Nachbarn denunziert, bei uns seien angeblich 20 Leute zu einer unerlaubten Versammlung. Wir stehen im Flur – ich noch im Messgewand, die Polizisten haben ihre Mienen erstaunlich gut im Griff –, erklären, wer wir sind, was wir hier am Gründonnerstag machen und dass wir hier wohnen. Die Polizisten, sachlich und von dienstlicher Freundlichkeit, schauen durch alle Zimmer, hinter die Türen und auf die Balkone und gehen wieder.
Es gibt nicht viele Wohnungen, von denen man ins Fenster der Kapelle sehen kann. Ich will auch gar nicht wissen, wer das war, ob sie gesehen haben, dass wir die Heilige Messe feiern, ob es böser Wille, Misstrauen oder Panik war, weshalb sie die Polizei gerufen haben.
Ich finde es auch sinnvoll, dass die Polizei die Einhaltung der Regeln zur Eindämmung der Ansteckung überwacht. So wie ich es ehrlichgestanden sinnvoll fand, dass Pilatus eine Wache ans Grab gestellt hat. Das kann den Christen nur recht gewesen sein.
Schlimm wird es, wo ein Nachbar zum Grabwächter des anderen wird. Wo die Angst vor dem Tod zur Angst vor dem Leben wird, da hört das Leben auf. Wo aber Menschen aufhören zu leben, um nur nicht zu sterben, da hat der Tod schon gewonnen.
Es ist Ostern, liebe Nachbarn! Morgen öffnet sich das Grab. Da könnt Ihr machen, was Ihr wollt. Ihr werdet Euch mit uns noch wundern.
Fra' Georg Lengerke
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