Die alte Dame hatte mich gebeten, sie die letzte Wegstrecke zu begleiten. Es sollten uns vier Wochen bleiben. Sie war hellwach bis zum Schluss. Wir sprachen über Vergebung, Abschied und Heimweh und darüber, was es heißt, das Zeitliche zu segnen.
In ihren letzten Tagen dann eine kleine „heilige Meinungsverschiedenheit“. Ihre Enkel wollten von ihr Abschied nehmen, und von ihr – nachdem Corona ihr nun wirklich nichts mehr anhaben konnte – gesegnet werden. Behutsam habe ich bei ihr für dieses Anliegen geworben.
Sie fühlte sich den Enkeln nahe. Diesen Gedanken jedoch fand sie pathetisch und irgendwie „bürgerlich“. Sie wollte wohl auch von den Kindern nicht mehr so gesehen werden. Vor allem aber wollte sie keinen großen Bahnhof und keine Rührung mehr am Sterbebett. Dann sagte sie: „Näher können wir einander hier nicht mehr kommen. Aber näher werden wir einander aus der Vollendung sein.“
Darum geht es an Christi Himmelfahrt. Näher kann Jesus den Menschen irdisch nicht mehr kommen. Er muss den Jüngern, ihren Blicken, ihren Gewohnheiten und der beginnenden nachösterlichen Routine genommen werden, um ihnen neu gegeben werden zu können. Und zwar so, dass er nicht mehr nur noch den Jüngern, sondern mit ihnen allen Menschen gegeben wird.
Noch schauen die Jünger dem Herrn in den Himmel nach. Bald werden sie lernen, nach ihm aus zu schauen, wie er durch alles Irdische hindurch da sein wird für sie und mit ihnen für alle Menschen.
Noch schauen wir der alten Freundin nach. Bald werden wir aus schauen nach ihr, wie sie zusammen mit dem erhöhten Herrn von Zuhause aus für uns da sein wird.
Fra' Georg Lengerke
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