Ein warmer, klarer Tag im Frühling. Von unseren Fenstern aus kann man die Alpen sehen. Ich spaziere durch die Stadt, die am Werktagmittag so leer ist wie sonst nur am Sonntagmorgen. Ich finde, dass das Wetter nicht zu unserer Lage passt.
Letzte Woche wieder Spaziergang. Es ist kalt und nebelig. Man sieht nicht weit. Den ganzen Tag will es nicht recht hell werden. Und ich denke: Genauso sieht es in und um uns gerade aus.
„Reiß doch den Himmel auf“, betet der Prophet Jesaja, „und komm herab.“ Nach der Rückkehr aus dem Exil ist für ihn „Himmel“ kein Bild für das selige Ziel des Lebens. Er ist verhangen. Die Sehnsucht geht nach dem Himmel hinter dem Himmel, nach dem Licht, das nicht durch die Wolkendecke dringt, nach der Wirklichkeit und Wirksamkeit Gottes, die fern und verborgen ist.
Friedrich von Spee dichtet mit diesem Vers 1622 ein Lied. Angesichts des Hexenwahns und der Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges betet er: „O Heiland, reiß die Himmel auf, / herab, herab vom Himmel lauf, / reiß ab vom Himmel Tor und Tür, / reiß ab, wo Schloss und Riegel für.“
Da betet einer mal nicht: „Mach, dass wir…“ – so als könnten wir uns selbst retten, wenn wir uns nur genug anstrengten. Spee ruft nach Christus, dem „Trost der ganzen Welt“, dass er uns „hier im Jammertal“ tröste; nach Christus, der Sonne, ohne deren Schein „in Finsternis wir alle sein“; nach Christus, der uns angesichts des ewigen Todes wie Mose „mit starker Hand / vom Elend zu dem Vaterland“ führen soll.
An Weihnachten tut sich der Himmel auf, weil der Ersehnte kommt. Wenn das Herbstwetter Bild unserer Bedrängnis wird, mag es uns adventlich beten lehren: „Reiß doch den Himmel auf, und komm!“
Fra' Georg Lengerke
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