Gestern war eine Trauung. Schon länger hatte sich das Brautpaar das heutige Evangelium aus Johannes 15 gewünscht.
Brautpaare spricht dieses Wort Jesu offenbar an: „Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe.“ Mich haben solche Sätze ehrlich gestanden seit meiner Jugend erst überfordert und dann gelangweilt.
Ich kann nicht lieben wie Jesus! Und soll es das gewesen sein, dass mein Christsein darin besteht, dass ich nachmache, was Christus vorgemacht hat?
Dabei spricht Jesus doch auch davon, dass er seine Jünger liebt. Und zwar indem sie aufsucht und findet, ihre guten und bösen Tage zu seinen macht und ihnen, wie ein Freund dem Freund, Anteil an dem gibt, wovon er lebt: an seiner Beziehung zu Gott dem Vater.
Aber wenn sein Wort über die Liebe stimmt, dann muss ich auch von meinem Nächsten annehmen: „Du bist geliebt. – Und zwar über meine Liebe hinaus, schon bevor ich Dich sah und noch nachdem mich der kühle Rasen deckt.“
Ich habe dem Bräutigam gestern gesagt, dass das der einzige Fall ist, in dem es völlig okay sei, wenn er feststellt, dass seine Frau die Geliebte eines Anderen ist.
Und weil das auch für den Bräutigam und auch für mich gilt, dass ich Geliebter bin, kann ich dann doch etwas anfangen mit: „Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe.“
Denn die Liebe der Jünger ist Liebe von Geliebten. Dass sie geliebt sind, befähigt sie, verbunden mit Jesus und zusammen mit der Liebe Gottes für Menschen da zu sein. Wir machen die Liebe Gottes nicht nach. Das können wir nicht. Wir vollziehen sie mit. Das ist „Sakramentalität“: dass Gott im Zeichen der menschlichen Liebe seine Liebe gegenwärtig und wirksam werden lässt.
Weil wir – wie unsere Nächsten – zuerst Geliebte eines Anderen sind.
Fra’ Georg Lengerke
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